Angesagt
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- Gemeinsame Sicherheit am Persischen Golf: Der Friedensplan des iranischen Präsidenten Hassan Rohani
- Wie Erwartungen Beziehungen zerstören
- Macron: Das Ende der westlichen Hegemonie über die Welt
- Wurde der Islam mit dem Schwert verbreitet?
- Polit-Talkshow: Krise zwischen USA und Iran - Krieg oder Deal?
- Die liberale Demokratie und ihre Mythen
- Causa Asia Bibi – Befreit den Islam!
- Ukraine: Mafia statt Euromaidan
- Fukuyamas Identitätsfrage und was die Gesellschaft noch zusammenhält
- Versuch einer Annäherung: iranisch-islamisches Volksprimat und westlich-liberale Demokratie
- Konstruktive Reformen sind im Sinne des Islams
- Vier Gründe, warum die Medien nicht islamfeindlich sind
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Wurde der Islam mit dem Schwert verbreitet?
Die Vorstellung, dass sich der Islam nur mit dem Schwert verbreitet hat und dass Zwangsbekehrungen im Islam erlaubt sind beziehungsweise gefordert werden, ist im Abendland weit verbreitet, und diese Auffassung scheint sich noch durch das Vorgehen der IS-Banden zu bestätigen. Papst Benedikt XVI. hatte im Jahr 2006 in einer umstrittenen Vorlesung an der Regensburger Universität aus einem mittelalterlichen Streitgespräch zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos und einem persischen Theologen einen Abschnitt zitiert, nach dem der Prophet des Islams, Muhammad ibn Abdullah „vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Im Folgenden will ich mich mit der Frage beschäftigen, ob dies zutreffend ist.
Zunächst einmal könnte man diesen Vorwurf natürlich auch an andere Religionen richten, nicht zuletzt an das Christentum. So entschuldigte sich Papst Johannes Paul II. für die Zwangschristianisierung der einheimischen Indios in Südamerika. Marcio Meira, Vertreter der Ureinwohner Brasiliens, äußerte sich im Jahr 2007 wie folgt: „Viele Menschen nahmen das Christentum an, aber es wurde gewaltsam durchgesetzt." Die Christianisierung in Afrika und Asien fand im Rahmen der Expansionsbestrebungen der Kolonialmächte statt.
Auch in Deutschland wurde das Christentum nicht ohne Zwangsmaßnahmen angenommen. Erinnert sei hier an die Zwangschristianisierung der Sachsen durch die Sachsenkriege (etwa 772-804) Karls des Großen mit Zehntausenden von Toten, was sogar den Berater Karls des Großen, Alkuin, zu der Äußerung veranlasste, dass ein Mensch zwar zur Taufe, aber nicht zum Glauben getrieben werden kann.
Wie verhält es sich nun mit dem Islam, wurde er nur mit dem Schwert verbreitet?
Im 8. Jahrhundert gelang es insbesondere den Umayyaden-Herrschern, den Machtbereich des muslimischen Reiches erheblich auszuweiten. Doch die Dynastie der Umayyaden wurde von Muawiyah, Sohn des Erzfeindes des Propheten Muhammed, ins Leben gerufen, der den vierten rechtgeleiteten Kalifen der muslimischen Sunniten und ersten Imam der muslimischen Schiiten, Ali ibn Abu Talib durch einen Staatsstreich entmachtete. Dieser Ali ibn Abi Talib, der den Propheten als sein Ziehsohn, Vetter, Schwiegersohn und bester Schüler am nächsten stand, hatte sogar ein eindeutiges Verbot der Führung eines Angriffskrieges ausgesprochen. So erklärte er vor der Schlacht von Siffin im Jahre 657 seinen Offizieren: „Beginnt niemals selbst einen Krieg. Gott liebt nicht das Blutvergießen. Kämpft nur in der Verteidigung. Greift niemals den Feind zuerst an...“
Der muslimische Herrschaftsbereich wurde allerdings schon unter den Kalifen vor Ali ibn Abi Talib ausgedehnt - an dieser Stelle sei auch auf die unterschiedlichen Auffassungen zur Nachfolge des Propheten verwiesen (nach den muslimischen Schiiten ist Ali in Ghadir Khumm vom Propheten Muhammad zum Nachfolger bestimmt worden, es wurde jedoch der Prophetengefährte Abu Bakr der erste Kalif). Der muslimische Machtbereich wurde jedenfalls durch die Dynastien der Umayyaden und der darauf folgenden Abbasiden territorial durch kriegerische Expansion erheblich ausgedehnt.
Bei diesen territorialen Ausdehnung des Herrschaftsbereichs sollte man aber Folgendes bedenken: Eine vergleichsweise kleine Zahl von Kämpfern hatte damals zwar ein großes Territorium erobert, hatte damit aber noch lange nicht die Herzen der Menschen gewonnen. In der Regel fanden keine Zwangsbekehrungen statt, die Christen und Juden beispielsweise durften ja an ihrer Religion festhalten, wobei sie in diesem Falle die Dschizja (Ausgleichszahlung) zu entrichten hatten. Ein weiterer aufschlussreicher Hinweis ist die Eroberung des iranischen Kulturraums. Statt dass es zu einer Islamisierung des zarathustrischen Persiens kam, kam es viel mehr zu einer massiven Übernahme von persischen Standards durch die muslimischen Eroberer - Persien wurde erst mehr als 300 Jahre nach seiner Eroberung mehrheitlich muslimisch und das obwohl die sunnitisch-muslimischen Herrschern die altpersische Religion nicht als privilegierte religiöse Minderheit (Leute der Schrift) einstuften. Allein dieser Umstand zeugt von der friedlichen Verbreitung des Islams.
Wie kam es aber zu hauptsächlich friedlichen Verbreitung des Islams?
Nach dem von multikonfessionellem Indien ausgezeichneten Denker, der Islamforscher Prof. Koneru Ramakrishna Rao, war es die "moralische Kraft" der islamischen Religion, die ihre Durchsetzung garantierte. Christliche Theologen verwiesen auch auf die Logik und Einfachheit des islamischen Monotheismus, den die Menschen überzeugend fanden.
Bei der Frage, ob der Islam Zwangsbekehrungen fordert oder erlaubt, ist theologisch entscheidend, dass nach dem Koran, dem heiligen Buch der Muslime und der wichtigsten Geistesquelle des Islams, Zwangsbekehrungen verboten sind. So gibt es nach Vers 256 der Sure 2 „keine Nötigung in der Religion“. Hierbei ist darauf aufmerksam zu machen, dass das arabische Wort "Ikrah" primär Nötigung, statt Zwang, wie es geläufig übersetzt wird, bedeutet. Das heißt, selbst Nötigung in der Religion wird vom Islam verworfen. Das wird auch in vielen anderen Versen deutlich. Im Vers 29 der Sure 18 heißt es beispielsweise: „Und sprich: (Es ist) die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll ungläubig sein.'" Weiterhin heißt es in der Sure 109: „Sprich: O ihr Ungläubigen! Ich diene nicht, was ihr dient, und ihr dient nicht, was ich diene… Euch euer Religion und mir meine Religion.“ Ganz deutlich bezieht der Vers 99 der Sure 10 gegen jede Form der Zwangsmissionierung Stellung, indem rhetorisch gefragt wird: „Willst du etwa die Menschen dazu zwingen, gläubig zu werden?“
Nach der Lehre aller islamischen Schulen werden die Taten der Menschen nach ihren Absichten in ihren Herzen bewertet, für die sie dann am Jüngsten Tag gerichtet werden. Ein erzwungener oder aufgenötigter Glaube wäre insofern wertlos.
Dr. phil. Markus Fiedler ist Autor von mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln mit dem Schwerpunkt Islam und Muslime in der europäischen Wahrnehmung.
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