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Die mehrdimensionale heilige Stadt Qom in Iran
Qom ist eine von zwei Pilgerstädten in Iran, in der Traditionalisten und Freidenker aufeinandertreffen. Sie befindet sich 120 km südlich von der Hauptstadt Teheran.
In den islamischen Überlieferungen wird diese Stadt bereits lobend erwähnt. Viele iranische Großayatollahs haben in Qum gelebt und gewirkt, und die größte schiitische Theologische Hochschule der Welt (Hawza) liegt in dieser Wüstenstadt. Auf den ersten Blick scheint Qum als ein verschlossener Ort, der als das Hauptzentrum der Islamischen Revolution Irans im Jahre 1979 im Westen bekannt wurde. Aber was diese heilige Stadt in Wirklichkeit anzubieten hat, ist vielfältig und mehrdimensional. Qum ist ein wissenschaftliches Zentrum für Geistes- und Humanwissenschaften, die Stadt beherbergt mehr als 23 Universitäten und 30 Fachbibliotheken, zahlreiche ausländische Studentinnen und Studenten, die in den wissenschaftlichen Zentren verschiedene Fremdsprachen lernen. Die Provinzhauptstadt Qum hat ursprünglich ihre Bedeutung, ihren Glanz und Ruhm dem heiligen Schrein von Fatima Masuma, einer Urenkelin des Propheten des Islams, Muhammad ibn Abdullah, zu verdanken.
Fatima Masuma
Fatima Masuma, die Tochter des siebten Imams, Musa al-Kazim, reiste im Jahre 817 von Medina in die heutige turkmenische Stadt Merw, die damals Hauptstadt des sunnitischen Kalifen al-Ma'mun war, um ihren Bruder, den achten Imam der Schiiten, Alī ibn Musa ar-Rida, zu besuchen. Unterwegs wurde sie krank und ließ sich nach Ghom bringen, wo sie nach einer kurzen Zeit verstarb und beigesetzt wurde. Das prachtvolle Gebäude, das ihren Schrein umgibt, wurde im Laufe der Zeit und mit Unterstützung der verscheidenden iranischen Dynastien ausgeschmückt und ausgebaut. Es ist bemerkenswert, wie eine Urenkelin Mohammeds, eine junge Dame, von den schiitischen Geistlichen des Islams so verehrt wird, dass man die größte Theologische Hochschule der Schia (Hawza) in dieser Stadt gegründet hat.
Gemäß einem Bericht des Internationalen Büros vom heiligen Schrein in Qom besuchten im letzten Jahr mehr als 20.000 Touristen aus 86 nichtmuslimischen Ländern und mehr als 95.000 ausländische Pilger aus 55 Ländern das heilige Mausoleum. Die Zunahme der Zahl der ausländischen Besucher ist so beachtenswert, dass das Internationale Büro im letzten Jahr mehr als 3.600 Ausflüge für nichtmuslimische Touristen in Qom veranstaltete. Ferner fanden 280 Sitzungen für Jugendliche im heiligen Schrein von Qom statt, um ihre Fragen zu beantworten.
Einige von den zahlreichen wissenschaftlichen Zentren und Universitäten in Qom
Die Howze-ye 'Elmiyye-ye Qom hat eine lange Geschichte. Sie war erstmals im 9. und 10. Jahrhundert der Mittelpunkt des schiitischen Klerus. Diese Rolle übernahmen später Städte wie Baghdad, Nadschaf, Hilla und Isfahan. Vor etwa 100 Jahren wurde die Theologische Hochschule von Qom von Großajatollah Haeri Yazdi neugegründet.
Die Gründung der Al-Mustafa Universität geht bis in das Jahr 1979 zurück. Sie ist eine internationale Universität für Islamwissenschaften mit 3.500 Dozentinnen und Dozenten und mit mehr als 50.000 Studentinnen und Studenten aus Iran und 122 anderen Ländern. Logik, Theologie, Philosophie, Mystik, Ethik, Jurisprudenz, Geschichte sowie Erziehungswissenschaften bilden die Pflichtfächer. Neben Persisch und Arabisch werden weitere Sprachen wie Englisch, Russisch, Deutsch und Französisch angeboten. Das Studium vieler Fächer kann ebenso per Fernstudium betrieben werden.
Diese universitäre Einrichtung, die drei Jahre nach der Islamischen Revolution gegründet wurde, ist für weiblichen Studierenden vorbehalten. Seit ihrem Bestehen haben 3.000 Studentinnen aus 82 Ländern in den Fächern Theologie, Koran- und Überlieferungswissenschaften, Arabisch, Geschichte, Psychologie und Jurisprudenz studiert.
Jameat-al'Zahra ist eine traditionelle Theologische Hochschule (Howze) für Frauen und wurde 1984 gegründet. Mehr als 50.000 Studentinnen aus 68 Ländern haben in dieser Hochschule ihren Bachelor- und Master-Studiengang sowie als Doktorandinnen studiert. Zu der femininen Howze gehören ein Kindergarten, Einkaufzentrum, Fitnessstudio, Schwimmbad und eine Klinik.
Die Lehrkräfte der Baqir al-Olum Universität, die im Jahre 1984 gegründet wurde, bestehen sowohl aus weltlichen Akademikern als auch religiösen Geistlichen. Die Universität bietet Theologiestudierenden weiterführende Studien in anderen Disziplinen wie Politik- und Kulturwissenschaften, Soziologie, Philosophie und Ethik, Geschichte und Zivilisation an. Zu dieser Universität gehört ein Sprachenzentrum, an dem Englisch, Arabisch, Deutsch und Französisch unterrichtet wird.
Die Mofid Universität wurde im Jahre 1989 gegründet und zeichnet sich durch ihre strenge Aufnahmeprüfung aus. Theologiestudierende können hier Wirtschaft, säkulare Rechtswissenschaft, Politikwissenschaften und westliche Philosophie studieren. Auch Nicht-Theologiestudierende erhalten nach einer Aufnahmeprüfung ebenfalls die Möglichkeit, an dieser Universität zu studieren.
Das Fachzentrum, das auch als Imam Sadiq Institut bezeichnet wird, wurde 1991 von Groß-Ayatollah Sobhani und der Verwaltung der Howze-ye 'Elmiyye-ye Qom gegründet. Die neuesten Themen der Theologie sowie vergleichender Theologie und Islamwissenschaften werden in diesem Institut behandelt.
Das Forschungsinstitut wurde im Jahr 1982 gegründet und unterhält drei Forschungszweige für Verhaltens-, Sozial- und Islamwissenschaften. Das Institut forscht insgesamt in zwölf Bereichen, nämlich im Bereich der Psychologie, der Erziehungswissenschaften, der Familie, der philosophischen Humanwissenschaften, der Wirtschaft, der Soziologie, der Politikwissenschaften, des Managements, der Geschichte, der Rechtswissenschaften, der Philosophie und der Koranforschung. Das Ziel des Forschungsinstituts besteht darin, eine Brücke zwischen der religiösen und der weltlichen Bildung in Iran aufzubauen. Die Kooperation zwischen dem religiös motivierten Forschungsinstitut und den weltlichen Universitäten umfasst gemeinsame Veröffentlichungen, Workshops, wissenschaftliche Tagungen und Zeitschriften.
Im Jahre 1994 ist die Universität mit den Fächern Christentum, Judentum, Buddhismus, Hinduismus und Islamische Konfessionen gegründet worden. Diese Universität hat acht Fakultäten, in denen schiitische Studien, Weltreligionen, Mystik, Philosophie und Logik, Frau und Familie, Sprache und Kultur behandelt werden. Zu dieser Universität gehören zudem verschiedene Einrichtungen wie ein Sprachenzentrum. Die Universität für Religionen hat mehrere Vereinbarungen mit inländischen und ausländischen Hochschulen, darunter mit der renommiertesten sunnitischen Theologie-Universität, der Al-Azhar in Kairo, mit der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, mit der Freien Universität in Berlin, mit der Karl-Franzens-Universität in Graz und der Universität in Paderborn sowie mit der Sheikh Tusi Universität in Najaf. Das Studium ist in vielen Fächern ebenfalls per Fernstudium möglich. Zu der Universität gehört auch eine große Fachbibliothek.
Das Institut ist im Jahre 2011 mit der Unterstützung des iranischen Kulturministeriums, der Howze-ye 'Elmiyye-ye Qom und des Vatikans gegründet worden. In verschiedenen Teilen der Welt und in Iran hat das religiöse Friedensinstitut mehr als 80 internationale Tagungen und Workshops, die interreligiösen Dialoge und Kooperationen einleiteten, ausgetragen. Es unterhält zudem Vereinbarungen mit ausländischen Institutionen in Deutschland, im Vatikan, Libanon, in Österreich, Polen, Norwegen und Schweden.
Einige Fachbibliotheken in Qom
Mehr als 30 Fachbibliotheken befinden sich in Qom. Erwähnenswert sind:
die Fachbibliothek des heiligen Schreins von Fatima Masumeh mit 230.000 Exemplaren.
die Fachbibliothek des Großayatollah Borujerdi mit 150.000 Buchtiteln und Handschriften.
die Fachbibliothek des Großajatollah Haeri Yazdi, bestehend aus 18.000 Handschriften und 12.000 Nachschlagewerken und 19.000 Exemplaren.
die Fachbibliothek des Forschungsinstituts der Theologischen Hochschule (Howze) und der Universität mit 50.000 Buchtiteln in Persisch und Arabisch und 6.900 Büchern in europäischen Sprachen.
die von Groß-Ayatollah Sistani gegründete Fachbibliotheken für persische Literatur, Geschichte Irans und des Islam, Koranwissenschaften, Theologie, Rechtswissenschaften, Philosophie, Astronomie und Fremdsprachen mit 35.000 Buchtiteln.
die Fachbibliothek der Baqir al-Olum Universität mit 45.000 Buchtiteln in Persisch und 4.500 Buchtiteln in Fremdsprachen.
die Fachbibliothek von Jameat-al'Zahra mit 36.000 Buchtiteln in Persisch und anderen Sprachen.
die Fachbibliothek und das Archiv der Mofid Universität.
Darüber hinaus ist die Bibliothek des Großayatollah Marashi von großer Bedeutung. Sie wurde von ihm im Jahre 1974 gegründet. Diese Bibliothek ist die größte Bibliothek für Handschriften in Iran und die drittgrößte auf der Welt. In dieser Bibliothek befinden sich mehr als 31.000 Buchtiteln und 60.000 Exemplare, die in Handschrift erhalten geblieben sind. 65 Prozent der Bücher sind auf Arabisch und der Rest auf Persisch, Türkisch, Mittelpersisch, Latein, Urdu und Hebräisch.
Fazit
Abschließend ist zu sagen, dass die religiöseste und konservativste Stadt Irans, Qom, zugleich auch die internationalste Stadt des Landes mit zahlreichen Ausländerinnen und Ausländern aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt ist. Sie ist nicht nur das theologische Zentrum des schiitischen Landes, sondern auch ein Zentrum für weltliche Geisteswissenschaften. Dies rührt daher, weil in der Weltanschauung der Islamischen Republik Iran nicht von einer Dichotomie von religiöser und weltlicher Wissenschaft ausgegangen wird, sondern die Wissenschaft wird als ganzheitlich begriffen - Gott Selbst ist das absolute Wissen und damit der Ursprung allen Wissens in der Welt.
Dr. phil. Sedigheh Mousavi Khansari arbeitet an der Philosophischen Fakultät "Orient- und Islamwissenschaft" der Eberhard Karls Universität Tübingen und ist die Autorin des Buchs "Molla Sadras Handlungstheorie im historischen Kontext". Ihre Forschungsgebiete sind unter anderem die Schiitische Philosophie vom 13. bis ins 17. Jahrhundert, Handlungstheorie und die Geschichte der Safawiden.
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