20.03.2019 Dr. Markus Fiedler

Massaker von Christchurch, „Alte Rechte“ und „Neue Rechte“ und ihre unterschiedlichen Reaktionen


Proteste von Neu-Rechten mit israelischen Flaggen: Der Antisemitismus der Alt-Rechten ist von der Islamfeindlichkeit der Neurechten längst abgelöst.

Demo von Neurechten mit israelischen Flaggen: Die Judenfeindlichkeit der Altrechten ist von der Muslimfeindlichkeit der Neurechten längst abgelöst.

Wenn man das rechte und rechtsextreme politische Spektrum im Westen - nicht nur in Deutschland - näher analysiert, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, um diverse Strömungen zu unterscheiden: Neonazismus, Nationale Sozialisten, Nationalkonservative, Neokonservative, Rechtsliberale und so weiter. Manche Querfront-Ansätze scheinen sogar die Unterschiede zum Linksextremismus zu verwischen und werfen die Frage auf, ob das gängige „Rechts-Links-Schema“ überhaupt noch sinnvoll aufrechtzuerhalten ist. Am geläufigsten ist dabei wohl die Unterscheidung zwischen der „Alten Rechten“ und der „Neuen Rechten“. Es soll hier zunächst darauf hingewiesen werden, dass der Terminus „Neue Rechte“ in der Politikwissenschaft „sehr unterschiedlich und nicht selten auch diffus verwandt“ wird. (Salzborn 2014) Die „Neue Rechte“ hebt sich demnach durch den Versuch der Intellektualisierung der Rechten, das Konzept des Ethnopluralismus (die Ungleichheit der Menschen wird durch ethnisch-kulturalistische Kriterien begründet) und einer konservativen Kulturrevolution von der "Alten Rechten" ab. (Ebenda)

Es gibt jedoch ein Unterscheidungsmerkmal, dass in politikwissenschaftlichen Untersuchungen weniger berücksichtigt wird, dass aber gerade anhand der Reaktionen auf den kürzlichen Terroranschlag im neuseeländischen Christchurch mit über 50 ermordete Muslim*innen wieder deutlich hervortritt und eine weitere Unterscheidung zwischen der „Alten“ und der „Neuen Rechten“ erlaubt. Aus der „Freund-Feind-Unterscheidung“ (Carl Schmitt, Begriff des Politischen) ergibt sich das jeweilige Welt- und Feindbild. Während zumindest für Teile der „Alten Rechten“ die „Front“ zwischen den Staaten verläuft, die ihre Souveränität bewahren wollen (Russland, Iran, Nordkorea, Syrien usw.) und den Staaten, die durch ihre imperiale Politik unter der Herrschaft des Finanzkapitals bzw. der „Hochfinanz“ die Souveränität anderer Länder bedrohen  (die USA, Israel und ihre „Vasallen“), sind es für die „Neue Rechte“ die „muslimischen Invasoren“ in den westlichen Ländern beziehungsweise der Islam überhaupt. Ganz deutlich tritt der Konflikt zwischen der „Alten“ und „Neuen Rechten“ zum Beispiel auch in der Familie Le Pen hervor. Während für den Front National-Gründer Jean-Marie Le Pen - und überhaupt die alte (extreme) Rechte - noch die „jüdische Hochfinanz“ der Feind ist, sind es für seine Tochter und derzeitige Chefin, Marine Le Pen, die Muslime und der Islam. In allen heutzutage erfolgreichen rechten Parteien in Europa kommt an erster Stelle die Feindschaft zum Islam zum Ausdruck – mit einer Ausnahme, nämlich die ungarische Jobbik-Partei, die den Islam wegen seiner „wertkonservativen“ Positionen sogar ausdrücklich als Vorbild hinstellte. Die Muslimfeindlichkeit hat die Judenfeindlichkeit bei der heute dominierenden „Neuen Rechten“ somit längst abgelöst, doch die Mainstream-Politik reagiert auf diese Veränderung nicht, weil die Tragweite dieser Veränderung den politisch Verantwortlichen offenbar nicht bewusst ist beziehungsweise durch die Rede vom vermeintlich "islamischen Antisemitismus" teilweise bewusst verdrängt wird.

Reaktionen der "Alten Rechten"

So kann im Internet beispielsweise die Website "Political Incorrectly", deren Niveau so niedrig ist, das sogar Julius Streichers berüchtigtes Hetzblatt „Der Stürmer“ dagegen als Qualitätsjournalismus wirkt, auf primitivste Weise hetzen, bis sich noch mehr Attentäter wie in Christchurch herangezüchtet worden sind. Die Reaktionen bei den Anhängern der „Neuen Rechten“ lässt tief blicken und machen deren Menschenverachtung und Gefährlichkeit deutlich. Betrachten wir kurz die Reaktionen der "Alten" und "Neuen Rechten" auf das Massaker von Christchurch.

Bei der NPD, die ideologisch zur „Alten Rechten“ zählt, fällt auf, dass über die Ereignisse in Neuseeland überhaupt nicht (weder auf den diversen Facebook-Seiten noch auf Webseite) berichtet oder diskutiert wird. Statt dessen findet man auf der aktuellen Internetseite einen Bericht über den Besuch des einzigen NPD-Europaabgeordneten im Libanon, der dort libanesische Kämpfer durch eine Kranzniederlegung im zentralen Märtyrerschrein der Hisbollah im Beiruter Stadtteil Rubeiri ehrt. Programmatisch macht die NPD demnach einen Unterschied zwischen dem „Islam als Religion“ und der „Islamisierung“.

Bei der ca. 500 Mitgliedern zählenden Partei „Der III. Weg“, die vor allem bei Jugendlichen Anklang findet und einen nationalen Sozialismus für Deutschland propagiert, findet man ein gemischtes Bild. Es gibt einen offiziellen Artikel auf der Homepage, in dem der Terroranschlag als „Gegenwehr“ gerechtfertigt wird: „Es grenzt fast an ein Wunder, dass die islamische Herausforderung bislang so wenig Gegenschläge provozieren konnte.“ Dies stößt aber in der Diskussion unterhalb des Artikels auf Widerspruch: „Ich finde, wir müssen uns hüten, ins kontraproduktive AfD-Horn („Feindbild Islam“) zu stoßen“, so ein Sympathisant. Hier fällt auf, dass die Kritik am Staat Israel nach wie vor einen großen Raum einnimmt, es kommt zur Debatte. Es wird dabei darauf hingewiesen, dass sich der Attentäter 2016 auch in Israel aufgehalten und in seinem Manifest ebenfalls Israel als Staat anerkennt habe, was eine Mossad-Steuerung des Attentäters suggerieren soll. Es finden sich aber auch solche Aussagen: „Der Vorfall in Christchurch bringt keine Nachteile. Da die ganze Welt immer nur Angstgesteuert ist bringt das sogar VORTEILE die evtl. nicht Jeder gleich erkennt.“

Reaktionen der "Neuen Rechten"

Kommen wir nun zur Reaktion der „Neuen Rechten“. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte sprach den Opfern und Hinterbliebenen des Massakers immerhin seine Anteilnahme aus. Er verwahrte sich auf Facebook gegen den Anspruch des Attentäters, das christliche Europa zu repräsentieren: „Das einzige Lager, auf das Sie sich berufen können, ist das der Terroristen, der Feinde der Gesellschaft. Sie stehen in den Reihen der Charlie-Hebdo-Attentäter und der Mörder von Bataclan. Sie sind nicht Fürsprecher, sondern Feind eines christlichen Europas. Wer das christliche Abendland bewahren und seine Werte hochhalten will, der kennt für Kriminelle wie Sie nur einen Ort: das Gefängnis!“

Die Anhänger der AfD jedoch wissen genau, was von solchen Äußerungen zu halten ist. Für die Leser-Kommentatoren des Magazins Compact, das als Sprachrohr der AfD- und Pegida-Anhänger gilt, scheint es völlig klar zu sein, dass eine solche Verurteilung des Terroranschlags offiziell erfolgen muss, um keine Wähler abzuschrecken, „was soll ein Politiker des BT [Bundestags] auch sonst sagen als sich von Gewalt zu distanzieren“ schreibt etwa der Leser "Thüringer I." und fügt hinzu, dass es eigentlich ja aber jeder wisse, dass es nicht ohne Gewalt gehe: „Man stelle sich jetzt aber mal vor wie das bei anderen Invasionen gehen sollte? Hätte Arminius einen Stuhlkreis bilden sollen um mit Varus alles erstmal auszudiskutieren und dann demokratisch darüber abzustimmen das sich die Römer vom Acker machen? Hat der Kampf gegen die Türken bei Wien es möglich gemacht, sie zurückzudrängen oder hätte da die Demokratie eher geholfen?“ Die Ablehnung der Demokratie und der Einsatz von Gewalt werden hier ungeniert deutlich ausgesprochen. Der Leser "Irgendwehr" pflichtet bei und erklärt, dass hier nur „Gleiches mit Gleichem“ vergolten werde, „die eigene Medizin schmeckt bekanntlich bitter“. Für ihn ist das Massaker an unschuldigen Menschen ebenso wohl legitime Gegenwehr: „Gegenwehr von Seiten eines Christen hatten die Globalisten und Islamisten wohl nie auf dem Schirm.“ Die Leser haben teilweise sogar die Auffassung, dass die ermordeten Muslim*innen ja überhaupt nicht unschuldig seien. So spricht es beispielsweise der Leser "Sokrates" aus, der bezweifelt, dass es sich um unschuldige Menschen handeln würde, denn sie seien ja Muslime und damit wären sie schuldig: „Massaker an 'unschuldigen Menschen'. Aber diese 'unschuldigen' Menschen hingen doch einer 'faschistischen Ideologie ' namens Islam an ? So jedenfalls bis gestern die Lesart, nicht ? Faschistisch und unschuldig geht zusammen,wußte Ich schon immer, aber von anderer Seite überrascht das.“

Resümee

Es soll bei diesen wenigen Kommentaren belassen sein - man findet in zahlreichen Foren offene Sympathie für den massenmordenden Terroristen und die Rechtfertigung seiner Untat. Das alles zeigt, dass die muslimfeindliche „Neue Rechte“ in ihrer Gefährlichkeit die judenfeindliche „Alte Rechte“ gegenwärtig bei weitem übertrifft, haben doch die Anhänger dieser Strömung ein Interesse daran, durch „Gegenwehr“ auf vermeintliche „muslimische Aktionen“ zu reagieren beziehungsweise dazu aufzufordern und die Eskalationsspirale immer höher zu treiben, bis das Ganze in einem Bürger- oder Religionskrieg endet. Dies war in der Tat auch die Strategie vom IS und seines Vorläufers im Irak, durch massive Angriffe auf Schiiten endlich Gegenreaktionen zu erzeugen, damit gegenseitig sich Sunniten und Schiiten die Köpfe einschlagen.

Markus FiedlerDr. phil. Markus Fiedler ist Autor von mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln mit dem Schwerpunkt Islam und Muslime in der europäischen Wahrnehmung.

 

 

 


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