Angesagt
- Globalpolitische, soziale und psychologische Ursachen der Islamfeindlichkeit
- Gemeinsame Sicherheit am Persischen Golf: Der Friedensplan des iranischen Präsidenten Hassan Rohani
- Wie Erwartungen Beziehungen zerstören
- Macron: Das Ende der westlichen Hegemonie über die Welt
- Wurde der Islam mit dem Schwert verbreitet?
- Polit-Talkshow: Krise zwischen USA und Iran - Krieg oder Deal?
- Die liberale Demokratie und ihre Mythen
- Causa Asia Bibi – Befreit den Islam!
- Ukraine: Mafia statt Euromaidan
- Fukuyamas Identitätsfrage und was die Gesellschaft noch zusammenhält
- Versuch einer Annäherung: iranisch-islamisches Volksprimat und westlich-liberale Demokratie
- Konstruktive Reformen sind im Sinne des Islams
- Vier Gründe, warum die Medien nicht islamfeindlich sind
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Der Prophet Mohammed - ein Vorläufer Hitlers?
Die mitunter heftigsten Vorwürfe gegenüber dem Propheten des Islams, Muhammad ibn Abdullah, und damit einhergehend gegenüber dem Islam überhaupt, werden im Zusammenhang mit dem Feldzug gegen den jüdischen Stamm der Banu Quraiza erhoben. Diese Vorkommnisse werden auch dazu benutzt, um eine Linie zwischen Muhammad und den islamistischen Gewaltexzessen der heutigen Tage zu ziehen und den Propheten somit als den geistigen Vater der im Namen des Islam propagierten Gewalt hinzustellen. Dies wird etwa beim von vielen Muslimen als islamfeindlich empfundenen Orientalisten Hans-Peter Raddatz deutlich. Die Schilderung der damaligen Vorkommnisse und die Verbindung mit gegenwärtigen Ereignissen stellt sich in seinem Buch " Von Gott zu Allah" wie folgt dar:
„In einem fast zwei Tage währenden Massaker ließ er eine nicht näher bekannte Anzahl (600 bis 700) männlicher Personen in ein eigens hergerichtetes Massengrab steigen und in seiner Gegenwart hinrichten... Die Beseitigung religiös-politischer Gegner unter Rückgriff auf Muhammads aktive Vorbildfunktion wurde rasch zu einem integralen Bestandteil und Verhaltensmuster islamischer Machtsicherung...“
Die Ereignisse werden heutzutage aber auch dazu benutzt, Mohamed und die Muslime überhaupt als Antisemiten zu brandmarken. So schreibt Hans-Peter Raddatz in einem anderen Buch "Allah und die Juden", dass der Islam „eine antisemitische Heilsgemeinschaft“ sei. Das alles ist nicht neu: So hat der US-amerikanische Politikwissenschaftler Norman Finkelstein darauf aufmerksam gemacht, dass die Muslime schon während des Libanon-Krieges 1982 mit den Nazis gleichgesetzt wurden, um das Vorgehen der israelischen Armee zu rechtfertigen. Die gegenwärtigen Ausführungen mancher Autoren scheinen sogar die These von Mohammad als dem ersten Nazi nahezulegen. Um die Dämonisierung zu vervollständigen, darf dabei natürlich der Vergleich mit Adolf Hitler wieder einmal nicht fehlen. Für den ägyptisch-deutschen Publizist Hamed Abdel-Samad wird Mohammad sogar zum Initiator des ersten Holocaust.
Doch wie verhält es sich wirklich, war der Feldzug gegen die Banu Quraiza quasi das Vorspiel zu Auschwitz?
Ibn Ishaqs Bericht
Zunächst: Von welchem Ereignis sprechen wir überhaupt? Im Jahr 627 n. Chr. marschierte ein etwa 10.000 Mann starkes Heer des arabischen Stammes Quraisch unter dem Oberbefehl von Abu Sufyan nach Medina, das dem Propheten Mohammed verfolgte, um den Islam ein- für allemal auszulöschen. Doch der Iraner Salman soll es gewesen sein, der dem Propheten den Rat gab, einen Graben um die unbefestigten Teile der Stadt ausheben zu lassen, was eine in Iran bekannte, in Arabien zur damaligen Zeit aber weitgehend unbekannte Kriegstaktik war, sodass es die anrückenden Quraisch überraschte. Es kam zur Belagerung.
Während dieser Belagerung brach der sich in Medina befindende jüdische Stamm der Banu Quraiza seinen Vertrag mit den Muslimen und unterstützte die Belagerer. Nachdem die Kämpfer der Quraisch nach vier Wochen die Belagerung aufgegeben hatten, wandten sich die Muslime denjenigen zu, die mit den Angreifern gemeinsame Sache gemacht hatten. So begannen sie auch mit der Belagerung des jüdischen Stammes der Banu Quraiza, der nach 25 Tagen kapitulierte. Es sei nun darauf hingewiesen, dass sich die folgende Darstellung der Ereignisse auf den ersten Mohammed-Biographen Ibn Ishaq (ca. 704-768 n. Chr.) stützt. Demnach setzte Mohammed - auf Drängen des befreundeten Stammes der Banu Aus - einen Schiedsrichter ein, der über das weitere Schicksal der Banu Quraiza entscheiden sollte. Seine Wahl fiel auf Sa'd ibn Muadh, der mit den Juden freundschaftliche Beziehungen pflegte, was ein mildes Urteil erwarten ließ. Den weiteren Ablauf der Ereignisse schildert Ibn Ishaq wie folgt:
„Beim Propheten und den Muslimen angelangt, fragte sie Sa'd: ‚Verpflichtet ihr euch bei Gott, die Entscheidung, die ich über die Quraiza fällen werde, anzunehmen?‘ Und nachdem sie ihm dies versprochen hatten, fuhr er fort: 'So entscheide ich, dass die Männer getötet und die Kinder und Frauen gefangengenommen werden und ihr Besitz aufgeteilt wird!'“
Zunächst muss in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass im vom Propheten in Medina gegründeten Staat den Andersgläubigen eine Rechtsautonomie zugestanden wurde: Die Juden wurden nach der Thora und die Christen nach ihren religiösen Lehren verurteilt. Es kann geradezu als das religiöse Fundament des Staatswesens von Medina bezeichnet werden, dass Muslime, Christen und Juden nach ihren jeweiligen heiligen Büchern gerichtet wurden. Christen war es demnach auch gestattet, Alkohol zu trinken und Schweinefleisch zu essen. Auf die Einhaltung dieses Prinzips der Rechtsautonomie wurde pedantisch geachtet. So gibt es auch Berichte über Fälle, bei denen sich Mohammed an die ansässigen Rabbiner wandte, wenn Unklarheit über die in der Thora vorgesehene Bestrafung für eine Tat herrschte. Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass Sa'd sein Urteil - wenn es denn ein solches gegeben hat - nach der in der Thora dafür vorgesehenen Bestrafung gefällt hat. So hat auch der Orientalist Professor Martin Lings darauf hingewiesen, dass das Urteil „genau mit dem jüdischen Gesetz zur Behandlung einer belagerten Stadt“ übereinstimmt: „Wenn sie der Herr, dein Gott, dir in die Hand gibt, so sollst du alles, was darin männlich ist, mit des Schwertes Schärfe erschlagen. Aber die Frauen, die Kinder, das Vieh und alles, was in der Stadt ist, und allen Raub sollst du unter euch aufteilen." (5. Buch Mose, Kapitel 20 "Kriegsgesetze", Vers 13-14)
Zweifel am Bericht Ibn Ishaqs
Einige muslimische Gelehrte wie Walid N. Arafat oder Ahmad Barakat haben allerdings die Historizität dieser Ereignisse bestritten, wofür es gute Grunde gibt, wie es im Folgenden dargelegt werden soll.
Walid N. Arafat hat deutlich gemacht, dass Ibn Ishaq seinen Bericht von einigen Nachfahren der Banu Quraiza übernommen hat, die ihm eine Darstellung und Opferzahlen mitteilten, die mit den realen Ereignissen nicht viel zu tun hatten. Auch Ahmad Barakat vertritt nach seiner Überprüfung der Vorkommnisse die Auffassung, dass nur die Führer der Banu Quraiza getötet wurden. Die früheste und am häufigsten zitierte Quelle für den geschilderten Ablauf ist Ibn Ishaqs Bericht selbst, doch Ibn Ishaq starb im Jahr 768 n. Chr., also über 140 Jahre nach diesen Ereignissen. Weiterhin wurde Ibn Ishaq bereits von Zeitgenossen - wie dem Rechtsschulengründer Malik ibn Anas - heftig angegriffen. Die Darstellung Ibn Ishaqs erscheint daher alles andere als zuverlässig. Die Autoren späterer Generationen übernahmen jedoch die von Ibn Ishaq gelieferte Darstellung, ohne die ansonsten von der Ilm ar-ridschal (Überlieferungswissenschaften) geforderten strengen Maßstäbe, was die genaue Erforschung des Isnad (Überliefererkette) betrifft, anzuwenden. So wiederholen spätere sunnitische Historiker wie at-Tabari (etwa 130 Jahre nach Ibn Ishaq geboren) und Ibn Kathir (etwa 600 Jahre nach Ibn Ishaq geboren) die Geschichte einfach oder gaben sie in verkürzter Form wieder.
Was können wir wissen?
Die Geschichte der jüdischen Stämme in der Gegend von Medina liegt heute weitgehend im Dunkeln. Der von Ibn Ishaq überlieferte Bericht kann als zweifelhaft gelten, da die Propheten-Biographien, und folglich auch die von Ibn Ishaq, üblicherweise nicht den von den Überlieferungswissenschaften aufgestellten strengen Regeln für die Einstufung einer Überlieferung als Sahih (authentisch) unterworfen waren. Überdies stünde eine kollektive Bestrafung im Widerspruch zum koranischen Gebot, dass keine Seele des anderen Last tragen soll, was auch für den Umgang mit Kriegsgefangenen gilt.
Weiterhin teilt uns der Koran in der Sure 33, im Vers 26-27 nur Folgendes über den Verlauf der Ereignisse mit, was wenig Ähnlichkeiten mit Ibn Ishaqs Bericht erkennen lässt: „Und Er brachte diejenigen vom Volke der Schrift [die Juden vom Stamm Quraiza], die ihnen [den Angreifern] halfen, aus ihren Kastellen herunter und warf Schrecken in ihren Herzen. Einen Teil von ihnen habt ihr getötet, und einen Teil habt ihr gefangengenommen. Und Er gab euch ihr Land und ihre Häuser und ihren Besitz zum Erbe - ein Land, das ihr nie betreten hattet. Und Allah hat Macht über alle Dinge.“
Was den Antisemitismus-Vorwurf in diesem Zusammenhang betrifft, so dürfte deutlich geworden sein, dass diese Ereignisse nichts mit Antisemitismus zu tun haben, selbst wenn sie sich so ereignet haben, wie es Ibn Ishaq berichtete: Im letzteren Fall wären sie wohl der eindeutig belegten weitreichenden Rechtsautonomie im Stadtstaat von Medina geschuldet.
Dr. phil. Markus Fiedler ist Autor von mehreren Büchern und zahlreichen Artikeln mit dem Schwerpunkt Islam in der europäischen Wahrnehmung.
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Zufällig bin ich bei euch gelandet. Macht weiter so.
Bezieht sich die Sure 59, Vers 2 bis 7 ebenfalls auf die Schlacht gegen Banu Quraiza? Da ist wiederum die Rede vom Exil. Und wen selbst Banu Quraiza nicht hier gemeint sein sollte, zeigt es aber doch, dass mit anderen jüdischen Stämmen anders verfahren wurde und stützt damit die These der Autonomie, dass die Banu Quraiza mit ihrer eigenen Rechtsauffassung bestraft worden ist.